Tolerante Hundehalter – Wo sind sie?

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Affen

Wieso ist es so schwer, unter Vertretern von bestimmten Erziehungsmethoden auf dem Planet der Hunde, Verständnis und Toleranz für die Realität zu erwarten? Oder sind wir selber auf dem falschen Dampfer beziehungsweise auf dem Planet der Affen? Ein Kommentar aus der planethund.com Redaktion zu einem scheinbar nie endenden Thema.

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Am 30. März 2014 wurde im WDR in der Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ über das heikle Thema „Gewaltfreie Hundeerziehung, wie viel Sanftheit braucht der Hund und welcher Grad von Aggression oder Druck ist noch in Ordnung?“ ein kurzer Bericht gebracht. Im Vorfeld wurde diese Frage schon auf deren Facebook-Seite gestellt. Bereits vor der Sendung wurde teilweise sachlich, aber auch heftigst und beleidigend diskutiert.

Hierbei kristallisierte sich schnell heraus, dass gerade die „Grünschleifen“ (das ist das Erkennungszeichen von Trainer und Hundehalter, die nur rein über positive Bestärkung arbeiten und Gewalt absolut ablehnen) stark vertreten waren und genau hier ging der Konflikt los. Denn die Definition „Gewalt“ war für jeden anders.

Wo sich viele Menschen tummeln, dort sind auch viele Meinungen vertreten und es entstehen viele Diskussionen. An sich ist das erst einmal überhaupt nicht schlimm. Andere Ansichten regen zum Nachdenken an, ein Austausch findet statt und jeder kann sich davon mitnehmen und rausziehen, was er möchte und was zu ihm passt. So sollte es im besten Fall sein.

Wenn keine andere Meinung erwünscht ist

Kritisch wird es, wenn andere Meinungen nicht erwünscht oder zugelassen sind. Wenn man sich derart in seinem Standpunkt festbeißt und direkt alles andere abblockt, die Worte des gegenüber nicht versteht, oder verstehen möchte.

Oftmals neigen genau Menschen mit diesem Verhalten dazu, in Diskussionen andere Menschen auf persönlicher Ebene anzugreifen. Eine sachliche Diskussion ist somit nicht mehr möglich, hier gilt nur noch „wer den längeren Atem hat den anderen niederzureden/schreiben, der hat gewonnen. PUNKT“. Das ist leider sehr schade, denn  Meinungsverschiedenheiten passieren uns ein ganzes Leben lang, in allen Bereichen und normalerweise, wenn auf einer sachlichen Ebene geblieben wird, sind diese für alle Beteiligten von großem Nutzen. Wichtig ist einfach, dass man sich anderen Sichtweisen und Meinungen nicht verschließt und auch die Argumentation dahinter versteht.

Lesen und das Verstehen von Texten

Wichtig ist auch, dass ich Texte ganz lese und nicht nur überfliege, oder überhaupt nicht bis zum Ende fertig lese. Ich kann nicht mitten in einem Text, nur weil mir dort gerade etwas aufstößt, oder mich in Rage bringt, aufhören zu lesen und sofort zum Gegenangriff durchstarten. So könnte ich evtl. die Erklärung verpassen, warum nun gerade dies und jenes dort geschrieben wurde. Die Zeit, sich einen Text in Ruhe durchzulesen, egal welche Emotionen zwischendurch aufkommen, sollte ich mir unbedingt nehmen (das Selbe gilt auch, den Gegenüber ausreden zu lassen, was heute viele verlernt haben!).

Was genau ist Gewalt?

Gewalt ist der Einsatz von physischem oder psychischem Zwang gegenüber Menschen sowie die physische Einwirkung auf Tiere oder eine Sache.

Ich möchte hier gar keine wissenschaftliche Dissertation halten, oder mit Begriffen um mich werfen, die gleich wieder zu einer Diskussion führen. Wenn wir aber von der oben angeführten Definition ausgehen, was Gewalt darstellt, üben wir ALLE täglich Gewalt aus: Wir legen unseren kleinen Kinder Anziehsachen raus, wir geben dem Hund das Futter welches wir besorgen, wir schicken den Partner zur Post um ein Paket abzuholen – obwohl dieser vielleicht gerade lieber was anderes machen würde und unser Chef gibt uns Aufgaben, die wir zu erledigen haben. Dies sind alltägliche Dinge? Ganz genau und doch steckt ein Mindestmaß an Zwang dahinter, was somit Gewalt ist.

Das heißt, das Wort Gewalt muss erst einmal ganz neutral betrachtet werden und ist nicht gleich negativ.

Da hier aber jeder seine eigene Grenze zieht, wo für ihn Gewalt anfängt, die anderen schaden (sei es nun körperlich oder psychisch/physisch), so wird man in Diskussionen, wo es um gewaltfreie Erziehung geht, nie auf einen Nenner kommen. Denn nach der Definition was Gewalt ist, ist alleine schon die Erziehung Gewalt am Hund. Des Weiteren empfindet jeder für sich persönlich auch Gewalt ganz anders. Während der eine kein Problem hat, für seinen Partner zur Post zu fahren, empfindet der andere es schon als Zwang (immerhin könnte das doch der Partner selber machen und nicht mich schicken!)

Wie soll ich also dann messen können, was ein Hund als Gewalt ansieht? Wie kann ich mir selber anmaßen, dem Anderen Gewalt zu unterstellen, wenn ich weder ihn, noch den Hund kenne und nicht weiß, welche Toleranzgrenze vorhanden ist, in welcher Situation dieser lebt?

Toleranz nicht nur dem Hund gegenüber!

So tolerant viele ihrem Hund gegenüber sind, so vergessen sie dies sehr oft gegenüber anderen Menschen. Gegen eine sachliche Diskussion und Darstellung der eigenen Meinung ist nichts einzuwenden. Man sollte darüber aber nie vergessen, dass auch Menschen unterschiedlich sind und man ihnen nicht ihre Meinung „gewalttätig“ aufdrücken kann.

Und unser ganzes Leben ist nun mal geprägt von Zwang und Gewalt und Aggressionen, was wichtig ist (Entwicklung des Charakters). Das Maß bestimmt jeder selber für sich und auch für die, die eng zusammen mit einem leben und abhängig von einem sind.

Jedem sollte klar sein, dass Gewalteinwirkung, im Sinne von Schlägen, Treten, Würgen etc., aber auch so starkem psychischen Druck, dass Hund/Mensch darunter zusammen brechen, tabu sein sollte. Und die meisten Hundehalter, auch wenn sie nicht nur nach dem Prinzip der „Grünschleifen“ arbeiten, beherzigen dies und möchten sicher einen netten und liebevollen Umgang mit ihrem Hunde pflegen.

Es gibt nämlich nicht nur Schwarz und Weiß. Nur weil einer nicht an Gott glaubt, hat er sich doch nicht gleich dem Teufel zugewandt. Nur weil ich von etwas runterspringe, breche ich mir nicht gleich die Beine, denn hier kommt es auf die Höhe an. Es gibt ganz viele Nuancen zwischen Schwarz und Weiß – es gibt nicht nur Gewaltlos und Gewalttätig!

Daher müssen Beleidigungen und persönliche Angriffe nicht sein, sondern hier sollte jeder Toleranz walten lassen!!

Wie lernt man die schönen und guten Seiten des Lebens schätzen? In dem man auch die negativen Seiten des Lebens bewusst kennen lernt und nicht von einem fern hält!

[box type=“info“]Der Grundsatz von Trainieren statt Dominieren (TsD – grüne Schleife)

Trainer von TsD sind gegen jegliche Gewalt in der Hundeerziehung (dies ist auch der Slogan von ihnen).

Dies beinhaltet, dass keinerlei Starkzwang in Form von zum Beispiel Elektrohalsbändern, Stachelhalsbänder, Würgehalsbänder etc. eingesetzt werden darf. Auch der Einsatz von zum Beispiel Wurfketten, Sprühhalsbänder, oder der Reiz des Erscheckens ist verboten. Hunde dürfen nicht über einen längeren Zeitraum ignoriert werden, oder diszipliniert werden. Auch körperliches Einschränken bzw. Bedrohen zählt zu Gewalt. Des Weiteren darf kein so genannter Alphawurf, kein Nacken- oder Schnauzengriff, oder sonstige körperliche Maßregelungen eingesetzt werden. Dazu zählen auch Leinenrucke und – zuppeln, oder Hilfsmittel, die zur Erziehung mit Schmerzreizen eingesetzt werden.

Auch dürfen keine „Rangreduktionsprogramme“ propagiert werden, noch aversive Methoden beschönigt werden.

Trainer, die sich der grünen Schleife zugeschrieben haben, dürfen nicht gegen diese Grundsätze verstoßen, ansonsten dürfen sie das Logo von Trainieren statt Dominieren nicht mehr nutzen.[/box]

9 Kommentare

  1. Ich persönlich glaube, diese Diskussion wird nie wirklich enden. Die Hundetrainer und überzeugten Anhänger der gewaltfreien Hundeerziehung sind so absolut in ihrer Meinung. Ich habe bisher keinen getroffen der auch nur ansatzweise davon zu überzeugen war, dass es z.B. auch mal Hunde geben kann die auf diese Methoden nicht anspringen. Hunde sind doch Individuen und was bei dem einen Hund super klappt muss bei dem nächsten noch lange nicht gut funktionieren. Außerdem darf man nicht vergessen, wir sind für den Hund verantwortlich und gerade in der Stadt gibt es oft Gefahrenquellen die ein Hund nicht einschätzen kann. Bevor ich mein Hund ungebremst in einen Haufen Scherben laufen lassen, halte ich ihn lieber zurück, auch wenn es ihm nicht passt. Leider ist das, wie ihr das so schön beschrieben habt, ja auch schon Gewalt, schließlich zwinge ich ihn ja einen anderen Weg zu gehen. Aber was wäre die Alternative?

    • Du schreibst: Hunde sind doch Individuen und was bei dem einen Hund super klappt muss bei dem nächsten noch lange nicht gut funktionieren.

      Ja, aber die Lerngesetze funktionieren bei allen Säugetiergehirnen gleich :)

      • Hallo Betty,

        trotzdem lernt jedes Individuum in verschiedenen Situationen anders. Der eine lernt schneller, der andere langsamer. Der eine lernt nur ohne Ablenkung, der andere hat keine Probleme mit Ablenkung. Auch die Erfahrungen die jeder sammeln konnten, spielen eine Rolle. So muss ich mich jedem Tier/jedem Mensch beim Lernen anpassen. Sonst würden ja auch alle Kinder gleich in der Schule lernen. Das tun sie nicht. Der eine braucht noch mehr Förderung, der andere galoppiert den anderen weg.

        Auch kann ich aus/in stressigen Situationen, oder wo der Druck groß ist viel lernen. Mein Umfeld muss daher nicht nur positiv sein, sondern ich lerne aus jeder Situation. Für die Entwicklung ist es auch enorm wichtig, dass man eben alle Seiten kennenLERNT! Dies gehört zur Entwicklung dazu und sollte nicht von einem weggehalten werden.

        • Ich stimme dir in allem zu :)

          Aber wenn du schon mit Kindern vergleichst, würde man heute auch nicht mehr sagen, der eine kann es rein durch Lob alles hinkriegen und der andere braucht halt mal Drohungen, Strafe, Druck und Rohrstock. Lass von mir aus letzteren Weg, aber trotz dass alle Kindern natürlich unterschiedlich sind, funtioniert das Lerngesetz doch bei allen gleich. Damit meine ich Motivation, klass. und op. Konditionierung.
          Auch wenn das ja immer verteufelt wird, es ist bei einem Kind auch nix anderes als op. Konditionierung, wenn ich bei einer bestimmte Note in einer Klassenarbeit entweder lobe oder Strafe, ein Spielzeug dafür kaufe oder Fernsehverbot erteile.
          Das Prinzip wirkt bei allen Hirnen grundsätzlich gleich, egal ob Mensch oder Hund.

          Da wir ja nun GsD soweit sind, dass wir wissen, dass Strafe bei Kindern selten dienlich ist um zu motivieren, sollte doch der Transfer zum Hund irgendwann auch mal klappen…

          Ja, Kinder sind keine Hunde. Es gibt Unterschiede und Ähnlichkeiten. Die Analogie passt hier diesbezüglich.

          • Es gibt auch noch andere Lernmechanismen als die, die im Behaviorism (klass. und op. Konditionierung) beschrieben werden.

            Klar, die zeigen oft die offensichtlichste Verbindung zwischen Stimulus und Reaktion, aber bereits damals ( – dass diese Methoden auch immer als „nach neuesten Ergebnissen“ beschrieben wird wundert mich auch stark) wurden nach dem ersten Boom an dieser Theorie bereits bemängelt, dass kognitive und emotionale Prozesse quasi unter den Tisch fallen gelassen werden, und das auf diese Art lernende Individuum auf eine Art formbaren Roboter reduziert wird, dass nur gedankenlos auf einen Stimulus reagieren kann.

            Ich meine, ich bezweifle auch, dass man komplexere Lernmodelle eins zu eins auf Hunde übertragen kann, aber es ist schon erwiesen, dass man auch das Verhalten von Hunden nicht auf pures Stimulus – Reaktion Verhalten reduzieren kann!

            Und um einmal auf dieses ewigen Argument „aber du arbeitest ja auch (nur) gegen Bezahlung (Belohnung)“ – natürlich, obwohl Geld allein bei weitem nicht der einzig wichtige positive Verstärker ist, um gute Arbeit zu leisten. Genauso wichtig sind Lob und Wertschätzung.

            Sicher freue ich mich, wenn ich zB einen tollen Artikel schreibe, und mein Vorgesetzter mich daraufhin lobt. Am A… würde es mir jedoch gehen, wenn er mich für jeden einzelnen getippten Buchstaben loben würde (sobald ich diesen getippt habe), und genauso ungut wäre es, wenn er mir für jeden Tippfehler eins über den Schädel ziehen würde. Gegen einen freundlichen Hinweis hingegen, in Zukunft besser auf Tippfehler zu achten (was ja auch eine „Korrektur“ ist), ist aber wohl überhaupt nichts einzuwenden.

  2. Eine Ergänzung habe ich noch zu dem Artikel:

    Das zu viel Hineininterpretieren!

    Wenn ich sage „ich wurde gerade geschubst“, dann heißt das nicht, dass ich getreten, geschlagen oder stranguliert wurde!

    Gerade das mehr in etwas Hineininterpretiert wird, als geschrieben steht/gesagt wird, ist eine -für mich- mittlerweile große Unart geworden und mit solch einer Art macht man sich warhlich keine Freunde!

  3. Liebe Melanie,
    danke für Deinen guten Bericht. Ich denke, das gerade dies der Grund ist, dass viele Menschen – so auch ich – sich nicht mehr an Diskussionen beteiligen. Egal was man sagt, es findet sich immer jemand, dem das was gesagt wurde nicht passt und manches Mal verläuft sich eine Diskussion nur noch in einem wirren Hin und Her von Angriff und Verteidigung, so dass das eigentliche Thema schon bald nicht mehr zur Rede steht. Auch sollte man sich dessen bewusst sein, dass gerade in Foren Diskussionen von falschen Identitäten in bestimmte Richtungen gelenkt werden (z. B. wenn es um Produkte geht), ….auch eine Art von Werbestrategie. Fast schon „Mode“ ist es doch, zu provozieren und den anderen bloßzustellen oder dessen Ansicht in Frage zu stellen. Es gibt ja sogar die s. g. Trolls, also Leute, die bewusst eine Diskussion mit ihren Kommentaren stören und provozieren wollen. Daran sieht man dann, wie krank doch die Gesellschaft und der Umgang miteinander ist. Traurig aber wahr.

  4. Zur Entschuldigung der holperigen Gesprächskultur von TsD (sei angeführt, dass alle dort nicht sonderlich geübt im Diskurs sind. Woher auch? Sie haben leider keine Gelegenheit dazu, ihre Meinungen auf dem Prüfstand zu sehen.

    https://www.facebook.com/groups/302010553216408/

    Unter dem Vorwand, sich auf die Besprechung von Trainingsmethoden konzentrieren zu müssen, löschen die Seitenbetreiber unliebsame Beiträge und komplette Stränge, blocken Profile im Vor- oder Nachhinein und werfen kritische Hundehalter hinaus.

    Dadurch lassen ihre Beiträge auf ungeschützten Plattformen, die nicht der TsD-Zensur unterliegen, in Ton und Inhalt oftmals zu wünschen übrig.

    Man muss sie aber trotzdem lieb haben. Erst recht dann, wenn die Frisuren vom vielen Gegenwind zerzaust sind und ihre Blicke immer wirrer werden …
    :)

    • Ich kann diese Vorgehensweise nur bestätigen.
      2013 war ich bis August auch in dieser Gruppe anwesend, da es mich interessierte, was hinter trainieren statt dominieren eigentlich steckt.
      Diese Begrifflichkeit hat mich tatsächlich schon stutzig gemacht.
      Dominieren etwas negatives, trainieren etwas positives ?

      Wenn ich dem Hund ein Training anbiete, dominiere ich ihn dann nicht ?
      Ich finde schon, denn ich gestalte das Training ganz nach meinen Vorstellungen und Frage den Hund nicht dabei, ob es ihm überhaupt gefällt.
      Der Hund kann sich nicht dagegen wehren, also dominiere ich !

      Was mir ganz bitter aufgestoßen, bei jeder Frage unerfahrener Hundebsitzer wurde immer ein ganz bestimmtes Programm abgespult….
      Box, Markerwort, Klicker !
      Andere Meinungen wurden abgewatscht und als wenig hilfreich deklariert.
      Fatal für so viele unerfahrene Hundehalter, werden jene doch Gebetsmühlenartig in die Mangel genommen und komplett eingeschworen.

      Es ist schade, das viele Menschen ihre Intuition verloren haben, ein gewisses Bauchgefühl und meinen, der Hund müsse dressiert werden ohne ihm seine Kommunikation zu lassen und auch anzubieten.

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