Was ist Totfundhund? Interview mit Gründerin Susanne Riedel

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tutfundhund gruenderin susanne riedel

Eine schreckliche Situation: Der Hund ist weggelaufen. Sei es an Silvester wegen der Knallerei, oder weil er sich wegen etwas erschreckt hat, oder einfach weil er jagdliche Ambitionen hat und den Weg nicht mehr zurück gefunden hat. Für jeden Hundehalter ist das eine schlimme Vorstellung. Nach langer erfolgloser Suche stellt sich die Frage – was ist mit meinem Hund passiert? Wurde er von anderen Menschen aufgegriffen? Liegt er irgendwo verletzt, oder ist er sogar schon tot?

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Wenn ein Hund irgendwo im Wald oder einem Gebüsch liegt, wird er wohl nicht gefunden werden. Liegt er aber an einer Straße, so wird er meistens von der Straßenmeisterei entsorgt. Diese machen sich aber nicht die Mühe zu schauen ob der Hunde einen Chip hat und so bleibt der Besitzer weiterhin im Ungewissen. Nun gibt es aber hier eine Stelle, die die Hundebesitzer nicht mehr im Ungewissen lassen wollen. Und das sind die Menschen von TotFundHund.

Wir interviewten Susanne Riedel, Gründerin von TodFundHund. Was genau ist TotFundHund, was kann man sich unter dem Namen vorstellen?

Susanne Riedel: TotFundHund ist eine Organisation, die es sich zum Ziel gemacht hat, tot aufgefundene Hunde zu identifizieren und ihre Besitzer zu informieren. Wir möchten, dass kein Hund „auf der Strecke bleibt“, sondern wenigstens noch zu Hause bestattet werden kann. Die Ungewissheit über das Schicksal eines Haustieres ist ja sehr quälend…Auch wenn die Nachricht über den Tod sicher traurig ist, sie ist ein Abschluss und die Möglichkeit von dem Tier Abschied zu nehmen.

Steht hinter TotFundHund eine Firma, ein Verein, oder sind hier rein freiwillige Helfer am Werk?

Susanne Riedel: TotFundHund ist eine bundesweite Vereinigung von derzeit circa 1300 freiwilligen und motivierten Helfern. Fast alle von uns haben selbst Tiere und viele sind durch die Suche nach ihrem Haustier zu uns gekommen und geblieben, um zu helfen.

Wer ist auf die Idee gekommen, diese Hilfe zu gründen, vor allen Dingen warum?

totfundhund regenbruecke hundSusanne Riedel: Ich gründete Totfundhund im Jahre 2013 anlässlich der Suche nach einem entlaufenen Hund aus Griechenland. Nico ist bis heute nicht wieder aufgetaucht, er ist wohl „auf der Strecke geblieben“. In meinen unzähligen Gesprächen mit verschiedenen Behörden wurde mir deutlich, dass das Schicksal eines vielleicht zu Tode gekommenen Hundes nicht sehr interessiert. Niemand kann helfen oder eine gesicherte Auskunft geben. Berichte oder Einträge gibt es nicht, Statistiken werden nicht geführt. Wenn das Tier nicht zufällig mit Halsband und Steuermarke gefunden wird, wird es oft einfach so entsorgt. Nico`s Schicksal hat mich insofern motiviert, eine Facebook-Gruppe zu gründen, die sich mit tot aufgefundenen Hunden beschäftigt. So entstand TotFundHund.

Die Ämter führen keine Berichte, beziehungsweise Statistiken über tot aufgefundene Tiere. Wie sieht es hier mit Totfund aus? Werden alle Hunde aufgenommen, egal ob der Besitzer gefunden werden konnte oder nicht?

Susanne Riedel: Ja, natürlich, Totfundhund führt Statistik. Wir geben jedem Hund einen Platz in unseren Alben, egal, ob der Besitzer bekannt ist oder nicht. Für uns ist das eine Art Gedenken. Wir sind uns aber auch bewusst, dass uns längst nicht alle Totfunde bekannt werden und es sicher eine sehr große Dunkelziffer gibt. Unsere Gruppe auf Facebook ist geschlossen. Das Teilen von Bildern in der Öffentlichkeit vermeiden wir. Wir sind der Meinung, dass ein Besitzer seinen Hund nicht zufällig tot auf Facebook finden sollte. Das ist eine Frage von Feingefühl und Respekt. Anders ist es natürlich mit unserer Homepage. Hier sind Bilder der Hunde öffentlich einsehbar. Warum? Weil wir die Hoffnung haben. dass der ein oder andere Hund doch noch zugeordnet werden kann. Jeder, der hier sucht, weiß auf was er sich einlässt

Und wo wir gerade bei Statistiken sind. Wie viele Hunde wurden zum Beispiel letztes Jahr gefunden und wie viele konnten identifiziert und seinem Besitzer übergeben werden?

Susanne Riedel: Die erste Zahl kann ich Ihnen auf Anhieb nennen. Es sind 563 Hunde im Jahr 2014. 406 bis Ende Mai 2015. Erschreckend, wie wir finden! Wir führen Monatsalben, so dass die Übersicht hier leicht ist. Bei der zweiten Frage muss ich allerdings passen. Es sind einige.

Die Auswertung gehört auch zu den Dingen, die wir uns schon längst vorgenommen haben. Wir werden das demnächst mal in Angriff nehmen. Ein besonders tragischer Fall ereignete sich gerade vor paar Tagen: Ein User auf Facebook postete ein Bild eines toten weißen Schäferhundes an einer Brandenburger Bundesstraße. Ein Mitglied fuhr hin und musste feststellen, dass der Hund direkt neben einem Radweg an Ort und Stelle vergraben wurde. Sie rief den dortigen Bauhof zu Hilfe und sie gruben den Hund gemeinsam aus. Unser Mitglied las den Chip aus, gab ihn telefonisch in unsere Arbeitsgruppe und wir konnten sehr schnell den Besitzer finden und informieren. Er holte seine Debbie ab und bestattete sie im Garten. Das sind solche Augenblicke, in denen man weiß, wofür man die Arbeit macht und von denen man sehr lange zehrt. Nicht immer gelingt uns das allerdings, oft ist der Hund schon weg, wenn wir an die angegebene Stelle kommen – den Besitzern und uns bleibt dann nur eine Vermutung, Gewissheit werden sie leider nie haben. Auch davon könnte ich erzählen…

Wie waren die Anfänge von TotFundHund und wie hat sich das „Netzwerk“ weiterentwickelt?

Susanne Riedel: Die Anfänge waren schwierig. Das Thema an sich ist nicht schön, so dass es nicht einfach war, Menschen zu finden, die bereit waren zu helfen. Die Gruppe war recht lange sehr klein. Irgendwann sprach sich unsere Existenz aber herum und so kamen und kommen immer mehr Mitglieder dazu. Ich kann sagen, dass wir in den meisten Regionen gut aufgestellt sind. Die Arbeitsgruppe kann mittlerweile auf rund 1.300 Helferinnen und Helfer im gesamten Bundesgebiet zurückgreifen, um schnell und effektiv handeln zu können. Ausgestattet mit Lesegeräten und einer großen Portion Ehrgeiz, machen sie sich auf, um jedem Totfund einen Namen zu geben und besorgten Besitzer wenigstens Gewissheit zu liefern

Sie sagen „ausgestattet mit einem Lesegerät“. Meinen Sie damit ein Chiplesegerät? Wenn ja, stellt Totfundhund diese Geräte gewissen Mitgliedern oder müssen diese selbst angeschafft werden?

Toter Hund gefunden
Bei einem tot aufgefundenen Hund wird der Chip ausgelesen. Dies ist nicht immer ein schöner Anblick

Susanne Riedel: Die Mitglieder schaffen sich die Lesegeräte selber an. Sie sind allerdings nicht dazu verpflichtet. Wir sind ja lediglich ein Zusammenschluss von Freiwilligen und verfügen daher nicht über die Berechtigung Spenden zu sammeln bezuehungsweise diese ordentlich zu quittieren – von daher sieht es finanziell bei uns nicht so gut aus.

Greift das Netzwerk nur bei Totfunden von Hunden, oder auch bei anderen Tieren wie zum Beispiel Katzen?

Susanne Riedel: Totfundhund selbst kümmert sich aus Kapazitätsgründen ausschließlich um Hunde. Wir überlassen es allerdings unseren Mitgliedern, auch tot aufgefundene andere Haustiere zu identifizieren. Das ist selbstverständlich, auch hier warten besorgte Besitzer auf ihren Schützling. Für Katzen gibt es auch ein gesondertes Netzwerk, deren Leitung wir im Zweifelsfall natürlich auch immer informieren. Im Gegenzug werden wir natürlich auch über tot aufgefundene Hunde informiert.

Wenn ich ein totes Tier gefunden habe, wie muss ich dann weiter vorgehen?

Susanne Riedel: Hier kommt es ganz entscheidend darauf an, wo das Tier gefunden wird. Liegt es auf der Autobahn und dort womöglich auf dem Mittelstreifen, sollte es natürlich nicht selber dort weggeholt werden. Das ist nicht nur verboten sondern vor allem lebensgefährlich! Das gleiche gilt für Gleisanlagen. In diesen Fällen sollte der Finder wenn möglich ein Foto machen und uns kontaktieren – möglichst telefonisch. Wir würden uns um alles Weitere kümmern, sprich die zuständige Polizeidienststelle benachrichtigen und nach Bergung den Hund sichten und einen Steckbrief erstellen.

Liegt das Tier auf einer anderen Straße oder in der freien Natur würden wir uns freuen, wenn der Finder uns unverzüglich benachrichtigt. Wichtig ist immer, dass er eine Telefonnummer hinterlässt, so dass er für Rückfragen (insbesondere zur genauen Lage des Tieres) zur Verfügung steht. Auch hier kümmern wir uns dann um alles Weitere.

Wer verständigt dann die Besitzer des toten Tieres? Läuft das über die Behörden, oder über TotFundHund?

Susanne Riedel: Auch hier kommt es wieder darauf an, wie das Tier identifiziert wird. Ist es gechipt (und registriert), oder können wir das Tier auf Suchflyern zweifelsfrei identifizieren, übernehmen unserer Mitglieder die Benachrichtigung des Besitzers. Hat das Tier eine Steuermarke, läuft es meist über die Behörde.

Wo werden die Hunde „gelagert“ während man auf der Suche des Besitzers ist?

Susanne Riedel: Hier sprechen Sie ein großes Problem an. Da wir alle Privatleute sind, dürfen wir tote Tiere nicht bergen und nicht transportieren. Damit würden wir gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen und uns ordnungswidrig verhalten. Es sind insbesondere seuchenrechtliche und – bitte verzeihen Sie den Ausdruck – entsorgungsrechtliche Vorschriften, die dem entgegenstehen. Wenn der Hund gechipt und registriert ist, gibt es kein Problem. Findet man den Besitzer nicht sofort, weil das Tier vielleicht zwar gechipt aber nicht registriert ist, bleibt uns daher nichts anderes übrig, als ihn den zuständigen Entsorgern zu übergeben. Ab und zu haben aber auch Tierärzte, Tierheime oder Ordnungsämter Kühlräume und lagern das Tier für eine Weile. Das ist aber nicht die Regel.

Wir würden das natürlich auch gerne selbst übernehmen – das ist allerdings zumindest derzeit völlig illusorisch. Die Tierkörperbeseitigung ist eine Dienstleistung, die in die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte fällt und von dort ausgeschrieben wird.

Wie kann Totfundhund aktiv und passiv unterstützt werden?

Susanne Riedel: Wir sind über jedes Mitglied sehr froh und suchen natürlich auch noch bundesweit Hilfe. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Mitglieder können aktiv auf der Straße tätig sein und sich um Totfunde kümmern, sie können Behörden vor Ort kontaktieren und Gespräche führen, Flyer verteilen, Sponsoren suchen. Auch die telefonische Recherche ist sehr wichtig. Oft müssen gefundene Hunde mit Vermisstenmeldungen abgeglichen werden beziehungsweise es müssen passende Vermisstenmeldungen im Internet und vor Ort gesucht werden. Zusätzlich fällt eine Menge Organisatorisches an…

Was genau planen Sie noch für die Zukunft? Was möchten Sie gerne noch weiter umsetzen?

Susanne Riedel: Wir haben viele Ideen! Derzeit planen wir eine große Öffentlichkeits- und Werbekampagne, um auf uns und unsere Arbeit aufmerksam zu machen. Parallel dazu möchten wir noch vor den Sommerferien alle Polizeidienststellen bundesweit anschreiben und mit Infomaterial versehen. Das bereiten wir gerade vor. Danach kommen die Straßenmeistereien und Ordnungsämter dran.

Unser großes Ziel ist es, dass irgendwann alle Behörden, die mit Totfunden zu tun haben, mit Chipreadern ausgestattet sind und die Besitzer der Hunde informieren. Für uns bliebe dann der hoffentlich immer geringer werdende Anteil der nicht gechipten oder nirgends registrierten Tiere.

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totfundhund gründerinSusanne Riedel ist 55 Jahre alt und arbeitet seit 1991 als Justitiarin in Brandenburg in der schönen Niederlausitz. Ihr ganzes Leben lang hatte sie Tiere um sich herum, Pferde, Katzen. Hunde – ohne ging es für sie nie und wird es auch nie gehen. Derzeit leben Border Collie Ronja, Maine Coon Kater Gandalf und die kleine Lilly, eine BK – Siam-Mix, bei ihrer Familie. Sie bereichern ihr Leben und zeigen ihr täglich, dass sie Verantwortung übernommen hat – für das Leben und Wohlergehen der Tiere.

Sie wünscht sich für die Zukunft mehr Sensibilität im Umgang mit den suchenden und zum Teil sehr verzweifelten Besitzern der Totfundhunde sowie etwas mehr Respekt vor dem toten Haustier und vor allem sehr, sehr wenig Arbeit für ihre Gruppe![/box]

Todfundhund Kontaktmöglichkeiten:

totfundhund

Webseite: totfundhund.de

Facebook: www.facebook.com/totfundhund

E-Mail: kontakt@totfundhund.de

Telefon: (0049) 01787114275

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