Epigenetik in der Hunderassen Zucht

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Ein neues Schlagwort geht um: „Epigenetik“. Seit längerem schon hört man immer wieder von der Epigenetik, seit geraumer Zeit immer ernster genommen, wird sie nun allgegenwärtig.

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Vereinfacht ausgedrückt, beschreibt die Epigenetik das Ein- und Ausschalten von Genen, abhängig von den jeweiligen Umwelteinflüssen. Also das Vererben von Erfahrungen, Prägungen und Lernen.

Im Moment steht die Forschung um die Epigenetik noch sehr am Anfang. Sie ist unstrittig vorhanden aber man ist sich uneins, welche Bedeutung ihr genau beikommt.

Zu Einem jedoch entwickelt sie sich aber unaufhaltsam – nämlich zur Erklärung für alles. Wenn eine Rasse oder ein Schlag sich immer weiter vom Ursprünglichen entfernt, wenn bereits Welpen Verhaltensauffälligkeiten zeigen oder Hunde sich einfach nicht wie erhofft entwickelt haben wie es erhofft war, wird immer häufiger die Epigenetik als Begründung für diese Fehlentwicklungen hergenommen.

EpigenetikWenn früher, spät-auffällige HD (Hüftdysplasie oder Hüftgelenksdysplasie)-Hunde aus dem Fenster gesprungen waren oder sich anderweitig Sportunfälle zugezogen hatten, so sind heute „traumatische Erlebnisse“ der Mutterhündin daran Schuld, wenn die Welpen mal nicht so sind wie erwünscht. Das kann durchaus sehr praktisch sein, denn so stiehlt man sich ein Stück weit aus der Verantwortung für eine mögliche vorhandene Wesensschwäche der gesamten Linie.

Der Züchter als Einfluss in der Hunderassen-Zucht

Aber ist das wirklich alles so einfach? Um hier überhaupt im Ansatz verstehen zu können welche Einflüsse die Rassen immer mehr verändert haben, müssen wir auch in das Zuchtwesen und den Menschen, der dahinter steht, tiefer einblicken.

Schauen wir uns zum Beispiel Arbeitshunderassen an, so werden wir feststellen, dass es hier Schläge gibt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ein Grund hierfür sind die unterschiedlichen Züchter. Züchter von Arbeitshunderassen, die keinen Bezug zur jeweiligen Verwendung haben, züchten nach anderen Maßstäben, da ihnen die erforderlichen Maßstäbe zur Zuchtauswahl verschlossen sind. Veränderungen am optischen Rassebild und dem Typ sind unvermeidbar und gerade die Typveränderungen sind es, die uns am ehesten auffallen.

Ist dann unsere Arbeitshunderasse immer mehr vom ursprünglichen Wesen der Hunderasse entfremdet und auch das Erforderliche verloren gegangen, werden auch die Erkenntnisse aus der Epigenetik nicht ausreichen um wieder gerade zu biegen was sich falsch entwickelt hat. Was einmal verloren ist, lässt sich nicht auf den Rücken der Epigenetik wieder herbeiführen. Sehr wahrscheinlich lassen sich Entwicklungen mildern oder abpuffern, dennoch wird das Besinnen auf die Wurzeln unerlässlich sein, um Fehltritte nachhaltig entgegen zu wirken. Mitunter wird auch das Einkreuzen ursprünglicher Rassen erforderlich sein, wenn der geeignete Genpool zu gering oder auf Grund weiterer restriktiven Zuchtordnungen immer enger wird.

Im Laufe des Züchterdaseins verändert sich oft auch der Blick des Züchters. Was bei den ersten Würfen noch nicht gesehen wurde, wird bei anderen bemerkt und gezielter verfolgt. Das ist eine völlig normale Entwicklung muss aber ebenfalls berücksichtigt werden. Selbst manch gute Leistungszucht fand ihren Anfang aus sentimentalen Gründen.

Zucht baut auch auf Erfahrung auf, diese entwickelt sich und benötigt Zeit zu reifen. Sie begründet sich auf Erfolge, aber auch auf Misserfolge. Auch der Hundeführer im Züchter sammelt im Laufe der Jahre seine Erfahrungen und Erkenntnisse, welche ebenfalls in die Zucht einfließen. Der tägliche Umgang mit Hunden schult auch den Umgang mit Hunden; man beurteilt Hunde aus verschiedenen Blickwinkeln und sieht sie mitunter im Laufe der Jahre dann anders. Hunde, die früher noch eine Herausforderung waren, lassen sich nach Jahren der Erfahrung leichter führen und ausbilden. Hunde, die man sich selbst vielleicht früher nicht zutraute, sind im Laufe der Jahre tägliches Geschäft geworden. Nur wenn man beständig mit Hunden arbeitet, kann man auch alle Stärken und Schwächen erkennen.

Alle diese Erkenntnisse fließen in die Zuchtauswahl mit ein, und tragen unweigerlich dazu bei, dass Hunderassen sich entwickeln. Nicht immer muss diese Entwicklung auch eine gute sein. Wenn es darum geht einen beständigen Typ zu züchten, bedarf es eines beständigen Züchters. Züchter, die sehr wankelmütig sind, ihre Ziele immer wieder neu definieren, sich eventuell auch mehreren Rassen hingeben, haben es hier erheblich schwerer einen Typ entsprechend richtig zu beurteilen.

Epigenetik bei HundenZüchter, die hier in engen Abständen Hunde züchten, sind hier durchaus dem Züchter gegenüber im Vorteil, der alle 4 bis 5 Jahre mal einen Wurf hat. Nicht nur, dass sie Veränderungen und Entwicklungen früher wahrnehmen, sondern auch die Erinnerungen an frühere Würfe sind noch ganz frisch. Behalten diese Züchter noch über eine lange Zeit ihre Nachzuchten im Auge, können sie ein breites Spektrum der Entwicklung wahrnehmen, welches bedeutend zur züchterischen Erfahrung beiträgt.

Veränderungen bei der Hundezucht sind schleichend. Nicht selten wird das Ausmaß einer Veränderung recht spät erkannt. Das liegt mitunter auch am System. Ein „Teufel“ im System zur Zuchtauswahl findet sich im Prüfungswesen. Existiert keines, nur ein sehr geringeres oder gar eines, welches sich stetig wandelt, können Veranlagungen nur unzureichend bewertet werden. Und selbst dort wo es ein ausgefeiltes Prüfungswesen gibt, können sich nach und nach Abstriche in den Anforderungen einschleichen. Nämlich dann, wenn der beste Hund des Tages sich auch in seiner Benotung deutlich vom schlechtesten Hund unterscheiden soll, der gerade so bestanden hat. Vor allem dann, wenn mehrere Hunde dazwischen liegen.

So halte ich es für denkbar, da man ja auch die Tagesleistung der Hunde untereinander vergleicht, dass heutzutage ein Hund ein „Hervorragend“ bekommen könnte, welches es für diese Leistung vor 10 Jahren nicht gegeben hätte.

Ich will nicht behaupten, dass es zwingend so ist, halte dies aber für sehr wahrscheinlich. Zumindest ist mir ähnliches bereits auf Ausstellungen aufgefallen: So genannte Quoten-Richter, bei denen mindestens der erstplatzierte Hund, selbst wenn nur zwei im Ring waren, ein „Vorzüglich“ bekommen hat. Obwohl dieser Hund auf anderen Hundeausstellungen überwiegend mit einem „Sehr gut“ bewertet wurde.

Fazit: Epigenetik begründet nicht alles

Betrachten wir allein die voran genannten Punkte, werden wir feststellen, dass sich nicht alles mit der Epigenetik begründen lässt, wenn nicht alle Faktoren betrachtet werden, die Einfluss auf die Rasseentwicklung nehmen.

Aber spielt die Epigenetik tatsächlich eine Rolle? Ja, das tut sie und ich denke dies ist auch unstrittig – nur sollte man sie gegenwärtig nicht überbewerten oder gar unterschätzen. Denn wie bereits erwähnt, steht die Forschung hier noch in ihren Anfängen.

Eine alte Binsenweisheit besagt, dass ein Jäger sich einen Jagdhund von einem Jäger kaufen sollte, der auch selbst mit seinen Hunden jagt. Denn nur hier können alle Faktoren stimmen: Angefangen von den Einschätzungen der Bedürfnissen, was der Hund können muss, vom Umfeld und seiner Prägung, bis hin zu den Werten welche die Elterntiere mitbringen. Vieles darin wird Veranlagung und einiges auch mit der Epigenetik zu begründen sein.

Ob jetzt Epigenetik oder nicht, eines steht fest „ein guter Hund kommt nicht von ungefähr“ und daran wird sich auch in der Zukunft nichts ändern!

Autor: Andreas Cornelius

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