Die Allesfresser-Terrorhunde

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Was habe ich mir mein Leben mit Hund immer so schön ausgemalt. Abendliche Spaziergänge über Wiesen und durch Wälder. Mein Hund hüpft fröhlich neben mir her, himmelt mich an, achtet aufmerksam auf jeden Fingerzeig von mir. Andere Hunde? Prima, kein Problem. Wir sind bei allen gerne gesehen. Schon von weitem winken mir die Leute zu. Ach, da kommt die liebe Lena mit ihrem treuen Begleiter.

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Ja, so sollte es sein. Und es fing auch gar nicht schlecht an. Bella zog mit 8 Wochen bei uns ein. Ein Engelchen. Verschmust, verspielt, manchmal etwas stur, aber trotzdem gelehrig. Unsere kleine Prinzessin auf der Erbse.

Ja, hier und da fraß sie mal ein Taschentuch…oder auch eine leere Bifi-Packung…oder auch meine über alles geliebten, einzigartigen, gar nicht mal so billigen Flip Flops. Na ja, was soll’s. Man muss halt Opfer bringen.

Viel Futter für den Hund

Alle mochten Bella, besonders die Nachbarn, die gerne ihr Ziegen-Brot für sie opferten. War Bella draußen mal verschwunden, brauchte ich nur zu den Nachbarn gehen. Dort gab es neben dem Brot nämlich noch mehr Futterquellen. Besonders beliebt: Das Futter von Bellas bester Freundin, einer Border Collie-Schäferhund-Mischlings-Dame, die nicht ganz so großen Appetit hatte und ihr Futter gerne mit unserem Fresssack teilte. Die Katzen des Hauses waren auch nicht geizig.

Super, so hätten wir uns auch noch Futterkosten sparen können. Zumindest, wenn unser schlechtes Gewissen uns nicht so sehr geplagt hätte. So standen wir eines Tages im örtlichen Heimtiergeschäft und kauften Hunde- und Katzenfutter in rauen Mengen, um es am selben Tag noch an die Nachbarn zu verschenken.

Dann begann die Zeit, als Bella ihre Leidenschaft für Stofftiere entdeckte. Aber nicht für ihre eigenen, nein. Die des Nachbarsjungen waren viel schöner. Während ich in der Einfahrt damit beschäftigt war, Nachbarschaftspflege zu betreiben, stahl Bella ein Stofftier nach dem anderen und schleppte sie in ihr super geheimes Geheimversteck … unser Wohnzimmer.

Dort lag sie dann, umringt von Schweinchen, Kätzchen, Bärchen und … Pikachu. Dieses gelbe Pikachu, es war ja so toll. Das war was ganz besonderes. Bella und Pikachu liebten sich heiß und innig. Es war so toll, dass es immer wieder geklaut werden musste. Alle paar Tage klingelte ich bei den Nachbarn, um es zurück zu bringen. So lange, bis sie es mir freundlicherweise schenkten. Also brachte ich es Bella zurück, legte es ihr hin und sagte: „Bitteschön, das ist jetzt deins.“ Und siehe da, auf einmal lag das Pikachu nur noch in der Ecke und wurde vernachlässigt. Nun fristet es sein Leben in unserem Schrank. Zusammen mit ein paar anderen Diebesgütern.

Wir arrangierten uns mit Bellas Kleptomanie. Und auch mit ihrer beginnenden Fresssucht. Alles kein Problem. Wenigstens war sie keine Kläfferin. Und weil es mit der Prinzessin so toll klappte, dauerte es gar nicht lange, bis die nächste bei uns einzog. Die kleine Schwester, selber Züchter, selbe Elterntiere. Was sollte da schief gehen?

Süßer Welpe

Carly war zum Knutschen. Ein Welpengesichtchen vom allerfeinsten. Und dann diese Augen! So toternste Augen, als hätte sie bereits 100 Jahre gelebt. Carlys Augen irritierten mich immer wieder. Sie wirkten so fremd in ihrem Gesicht. Sie war ein kleiner Tollpatsch, watschelte mutig durch die Welt und schlug alle Gefahren mit ihrem lauten Bellen in die Flucht. Was war das witzig, wenn die Menschen sich erschrocken umsahen, sobald ihr Bellen erklang und dann lachten, wenn sie den kleinen, dicken Carly-Knopf entdeckten.

Kurz nach ihrem Einzug hatte Bella bereits akzeptiert, dass Carly das Sagen hatte. Den beliebten Bettelplatz in der Küche durfte die „Pissnelke“ (wie meine Mutter sie aus gegebenem Anlass nach einem Besuch nannte) einnehmen. Auch den Schlafplatz neben Frauchens Kopf hatte die Kleine schnell für sich beansprucht. Wenn Carly gefrustet war, lies sie das an ihrer großen Schwester aus. Da wurde in die Beine, in den Schwanz und in die Ohren gebissen.

Bella war aber nicht das einzige Opfer von Carlys hinterhältigen Attacken. Vor allem der Hund unseres Mieters musste so einiges ertragen. Da konnte es im Spiel schon mal wild hergehen. Mit ihren spitzen Babyzähnchen vernarbte sie den schönen schwarzen Molosser in Windeseile. Der Höhepunkt des ganzen waren blutige Hoden. Der gutmütige Rüde ertrug das alles mit stoischer Gelassenheit und ich fragte mich, ob er und Bella noch nicht gehört hatten, dass der Welpenschutz nur ein Gerücht war.

Aber das alles war nicht schlimm. Schlimm wurde es erst, als die Schwestern sich zusammen taten.

Große Schweizer Sennenhunde
Holzscheit-Party :)

Man ging 15 Minuten aus dem Haus, kam wieder und entdeckte Carly auf (!) dem Wohnzimmertisch stehend und Bella mit einem Stück Feuerholz im Maul. Beide starrten meinen Freund und mich mit überraschten Augen an, als wollten sie sagen: „Das ist nicht das, wonach es aussieht!“, während hinter ihnen das Chaos herrschte. Zwischen Holzspänen und Pippispuren fand ich meine frisch gewaschenen Socken, angesabbert und kaum noch als Socken zu identifizieren. Es waren keine Socken mit Löchern, es waren Löcher mit Socken. Nach ihrer Schrecksekunde fielen die Terrorhunde gut gelaunt über uns her. Bella schnappte sich ein Holzscheit und warf ihn in die Luft. Ich hörte sie schon fast rufen: „Juhu! Kommt! Macht mit! Wir feiern eine Holzscheit-Party!“ Uns war nicht unbedingt nach Feiern zumute.

Spaziergänge am Abend

Aber mir blieben ja noch meine romantischen Spaziergänge im Abendlicht. Doch nach und nach fiel mir auf, dass uns kaum noch Menschen mit Hunden begegneten. Eines Tages sah ich einen von Bellas Hundekumpels mit seinem Frauchen auf der Wiese. Ich winkte ihnen fröhlich zu, während Carly lautstark in die Begrüßung mit einstieg. Bella entdeckte ihren Kumpel auch, freute sich einen Ast ab und stieg in die Leine. Wie ein russischer Tanzbär spazierte sie auf ihren Hinterbeinen neben mir her. Und auf einmal waren Frau und Hund am Horizont verschwunden. Hatten sie uns nicht gesehen? Vielleicht hatten sie es auch eilig. „An uns kann es doch nicht gelegen haben, oder?“, fragte ich Tanzbär und Bellophon. Sie schauten genauso fragend wie ich.

Einige Zeit später war es traurige Gewissheit. Die Leute hatten Angst vor uns. Ich konnte das nicht verstehen. Wie konnte man nur Angst vor den beiden haben?

Bella, meine Prinzessin, mein Teddybär, meine immer liebe Knutschmaus, deren Bärentatzen nach Popcorn dufteten, die sich nach dem Aufstehen als aller erstes an unserer neuen Tapete im Flur schrubberte, damit es frisch geschrubbert in den neuen Tag gehen konnte.

Und Carly, mein Carlchen, war doch noch ein Baby, wie sie schnarchend in meinem Arm lag, mit der Nase in meinem Nacken. Immer ganz nah an ihrem Frauchen. Die kleine Kuhnase, die sich so sehr über jede Art von Aufmerksamkeit freute, dass ihr Schwänzchen wild hin und her wedelte, wenn sie vor mir saß und mich mit ihren fragenden Augen ansah.

Wie konnte man die beiden nicht lieb haben?

Und dann machte es „klick“.

  • Egal, wie viel Unsinn die beiden auch machten.
  • Egal, wie viel Socken sie zerlöcherten.
  • Egal, wie viele Taschentücher sie fraßen.
  • Egal, wie oft sie rein pinkelten.
  • Egal, wie viele Menschen sie in die Flucht schlugen.

Sie waren meine beiden Fellmonster. Alles, was mir im Leben etwas bedeutet. Alles, was ich brauchte und alles, was ich mir gewünscht hatte.  Es kommt immer anders als man denkt. Man kann sein Leben nicht planen. Wichtig ist, dass man das was kommt als gegeben hin nimmt und es genießt so lange man es hat.

Autorin: Lena

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