Welpengruppen: Notwendiges Muss oder vermeidbares Übel?

Wie in einer gut geführten Welpengruppe Hund als auch Mensch viel lernen können.

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Berner Sennenhund Welpe

Wer sich einen Welpen holt, steht vor der Entscheidung ob, und in welchem Rahmen er eine Hundeschule oder einen Verein besuchen möchte. Sowohl Hundeschulen als auch Vereine bieten oft „Welpengruppen“ an. Manche sind reine Spielgruppen, in denen die Welpen mit anderen Welpen interagieren. Andere dagegen legen ihr Hauptaugenmerk auf die Grunderziehung und die ersten Kommandos, wie Sitz, Platz und den Rückruf.

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Welpengruppen bei Hundeanfängern ein „Muss“?

Welpengruppen scheinen besonders bei Hundeanfängern ein regelrechtes „Muss“ zu sein. Wer einen Welpen hat, muss doch zur Hundeschule! Oder? Immer mehr Stimmen werden laut, insbesondere bei Trainern und erfahrenen Hundebesitzern, die von Welpengruppen grundsätzlich abraten.

Wer Diskussionen dazu verfolgt, stellt schnell fest, dass diese oft hoch emotional geführt werden. Gerne werden Geschichten von traumatisierten Welpen erzählt, die von ihren Artgenossen nieder gemacht wurden. Trainern die unempathisch und anscheinend auch ahnungslos Situationen laufen ließen, in denen Hunde von ihren Artgenossen gemobbt wurden und Hundehaltern die rauchend und Kaffee trinkend sich das Spektakel von der Seite anschauten. Welpen würden von Welpen eh nichts Sinnvolles lernen und es wäre viel zu viel Stress und Aufregung für die „Kleinen“.

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Also lieber keine Welpengruppe?

Welpenzeit wichtige Phase Leben Shiba Inu
Die Welpenzeit ist eine wichtige Phase im Leben des Hundes.

Selbstverständlich gibt es schlechte Welpengruppen, genauso wie es schlechte Trainer, Vereine, Tierärzte, Hundefrisöre usw. gibt. Die Welpenzeit ist eine enorm wichtige Zeit, denn in der sogenannten Sozialisierungsphase finden zahlreiche neurologische Verknüpfungen im Gehirn des jungen Hundes statt. In dieser Zeit wird nicht nur das Referenzsystem für Bekanntes und Unbekanntes angelegt, auch verschiedene soziale Verhaltensweisen werden hier eingeübt und verfeinert. In dieser sensiblen Phase wird besonders schnell gelernt: Sie beginnt in etwa mit der vollendeten 3. Lebenswoche und endet (je nach Quelle) zwischen der 12. und 18. Lebenswoche. Es macht also Sinn diese besondere Zeit gut zu nutzen, denn sie bildet das Grundgerüst für das weitere Leben. Hunde, die in dieser Zeit reizarm aufwachsen, können diese kaum nachholen und haben oft ein Leben lang Probleme.

Allerdings werden auch schlechte Erfahrungen besonders gut in dieser Zeit gelernt. Ein Welpe, der die Erfahrung macht, immer schwach zu sein, und von Artgenossen permanent nieder getrampelt wird, wird später wahrscheinlich Unsicherheiten und Ängste gegenüber Artgenossen haben. Ein Welpe, der die Erfahrung macht, dass er völlig ungehemmt alles nieder mobben kann, wird dies besonders gut lernen und auch später noch zeigen. Bei einem erwachsenen Hund kann dies gefährliche Situationen zur Folge haben. Grundsätzlich gilt: Lieber keine Welpengruppe als eine schlechte Welpengruppe.

In einer gut geführten Welpengruppe können Hund als auch Mensch viel lernen

Junge Hunde spielen besonders viel. Je älter die Hunde werden, desto mehr nimmt das Spielverhalten zu Gunsten anderer sich entwickelnder Verhaltensweisen (wie zum Beispiel Sexualverhalten) ab. Spiel ist nicht nutzlos, sondern hat eine herausragende Bedeutung für unsere sozialen Vierbeiner. Im Spiel werden nicht nur Motorik und kognitive Prozesse geschult, auch das Sozialverhalten wird hier verfeinert. Verschiedene Verhaltensweisen wie zum Beispiel aufreiten, kämpfen oder drohen, werden hier abseits des Ernstbezugs geübt.

Welpen, die spielen, legen somit die Basis für ein späteres flexibles und facettenreiches Verhalten. Es ist also mitnichten der Fall, dass Welpen nichts von anderen Welpen lernen würden. Viele erwachsene Hunde spielen nicht mit Welpen – schon gar nicht mit Fremden. Wer einen Einzelhund hat und Spielpartner für seinen Hund sucht, kann in einer Welpengruppe fündig werden. Zumal dort oft der Hund auch die unterschiedlichen Artgenossen kennen lernt. Ob kurzschnäuzig, groß, klein oder langhaarig – so verschieden im Aussehen, sind die Hunde auch im Charakter. Gut ist es, wenn der Hund seine Artgenossen einschätzen, und darauf sein Verhalten anpassen kann.

Hinzu kommt, dass im Spiel die Welpen sich zurücknehmen lernen. In seine Freunde sollte man nicht rein hacken, sonst spielen sie nicht mehr mit einem. Wenn es dem Kollegen zu viel wird, muss man auch mal bremsen, sonst will der andere nicht weiter machen. Wer zwischendurch auch einfach nur zuschauen muss, ohne hinterher zu dürfen, lernt mit Frust umzugehen. Und wer dann auch noch zwischendurch ruhen darf, kann die Erlebnisse besonders gut verarbeiten.

Welpengruppen und Stress

Schutz für den Welpen beim Menschen
Der Mensch als „sicherer Hafen“ – eine wertvolle Erfahrung für Welpen.

Natürlich bedeutet eine Welpengruppe auch Stress für den Hund. Es kann durchaus zu schwierigen Situationen kommen. Sei es, weil die Erregungslage der Welpen zu stark ansteigt und sie die Signale ihres Gegenübers nicht mehr beachten, ein Spiel kippt oder es Streit gibt um eine Ressource. Für diese Situationen benötigt ein Hund die passenden Bewältigungsstrategien. Diese fallen nicht vom Himmel, sondern müssen ausprobiert, angewendet und im Kontakt mit Artgenossen verfeinert werden. Auch unangenehme Erfahrungen können gute Erfahrungen sein, wenn der Hund aus diesen etwas Sinnvolles lernen kann. So kann er lernen, dass ein Zähne fletschen auch ernst gemeint sein kann und es Möglichkeiten gibt, durch deeskalierende Verhaltensweisen diese Konflikte zu entschärfen. Er lernt sich aber auch zu behaupten, wenn es eine Situation erforderlich macht.

In einer guten Welpengruppe lernt der Hund zudem, dass er bei Überforderung sich an seinen Besitzer wenden kann, der ihn entsprechend schützt. Er lernt, dass er dort Sicherheit findet, wenn er Angst hat und mit ihm gemeinsam sich auch an etwas gruselig Erscheinendes heran trauen kann. Alles in allem ist dies eine gute Basis für das weitere Leben.

Die Welpenzeit ist prägend für das weitere Leben. Leider vergessen viele Hundebesitzer das Wesentliche: Statt Förderung droht Überforderung! Mehr dazu ➡ Welpen- und Junghundeerziehung: Höher, schneller, weiter

Was lernt der Hundehalter durch eine Welpengruppe?

Viele Diskussionen um Welpengruppen kreisen oft um die Hunde. Aber besonders der Mensch, der womöglich seinen ersten Hund oder ersten Welpen hat, kann in einer gut geführten Welpengruppe viel lernen:

  • Er lernt wie Spielverhalten aussieht, wann es keines mehr ist und er einschreiten muss.
  • Der Hundehalter lernt seinen Hund zu lesen, zu schützen und zu coachen.
  • Er lernt auch seinen Hund kennen. Was ist ihm wichtig, was kann er gut und wo braucht er Hilfe.
  • Er kann Strategien des Eingreifens lernen und erfährt, welche Hunde die passenden Sozialpartner für den eigenen Hund sind.

Neben dem Sozialverhalten gibt es aber noch andere Bereiche, die in einer Welpengruppe sinnvoll thematisiert werden können. Erfahrungsgemäß haben die meisten Welpenbesitzer doch recht ähnliche Probleme. Ob es Welpen sind, die ihre Zähnchen zu kräftig im Spiel einsetzen, Welpen die schlecht zur Ruhe kommen oder alles unterwegs fressen und Zuhause anknabbern. Hier kann ein Trainer helfen, noch bevor sich das Fehlverhalten manifestiert hat. In einer guten Welpengruppe stehen nicht nur Sitz, Platz und Fuß auf dem Programm, sondern auch die Leinenführigkeit, Deckentraining, Ruheübungen, der Rückruf, Tierarzttraining und Pflege, die Abgabe von Fressbarem, das Spielen mit dem eigenen Hund und das Abbruchsignal, um unerwünschtes Verhalten auch abbrechen zu können.

Gewöhnung des Welpen an die Umwelt

Untergrundtraining Welpen
Ein wackliger Untergrund? Für diesen Welpen kein Grund zur Sorge.

Selbstverständlich zählt auch die Gewöhnung an die belebte und unbelebte Umwelt dazu. Neben lauten Geräuschen und das Kennenlernen einer städtischen Umgebung, sollten auch verschiedene Untergründe und Hindernisse bewältigt werden.

Gerne wird das obligatorische Bällebad belächelt – warum sollte ein Hund sowas kennen lernen? Dabei geht es gar nicht nur darum, dass der Hund ein Bällebad kennenlernt. Es geht darum, dass er den Mut findet dieses zu betreten, er seine Koordination schult, denn die Pfötchen müssen gut gesetzt werden, um nicht auf einem kippligen Ball zu stehen. Der Besitzer lernt dabei seinen Hund kennen – ist er zurückhaltend oder springt er ohne Bedenken da rein? Kann er seine Pfoten gut setzen oder fällt er sofort um? Wie geht er damit um, wenn sich plötzlich etwas unter ihm bewegt oder etwas komische Geräusche macht? Wie kann er seinen Hund ermutigen und ihm helfen dies zu schaffen?

Die Arbeit an solchen Hindernissen hilft besonders den unsicheren und eher ängstlichen Hunden. Sie bekommen Selbstvertrauen und lernen, dass sie mit ihrem Menschen auch solche Situationen schaffen können und das Ganze auch noch richtig viel Spaß macht. Aber auch die Draufgänger lernen, dass es manchmal Sinn macht sich langsam mit sowas vertraut zu machen und nicht direkt drauf los zu springen. Und die Fortgeschrittenen können bereits erste Kommandos auf verschiedenen Untergründen absolvieren.

Die Rolle des Hundetrainers

Eine Welpengruppe steht und fällt natürlich immer mit ihrem Trainer.

  • Er steht beratend den Hundehaltern zur Seite, erklärt Kommunikation- und Ausdrucksverhalten, erklärt warum er etwas macht oder von etwas abrät und gibt individuelle Hilfestellungen bei Problemen.
  • Der Trainer stellt Spielegruppen mit den passenden Hunden zusammen und achtet darauf, dass die Welpen auch zwischen den Lerneinheiten zur Ruhe kommen.
  • Greift ein und/oder hat auch einen passenden erwachsenen Hund, der entsprechend für Ruhe sorgen kann, wenn es notwendig ist.
  • Liefert aufbereitetes Fachwissen und gestaltet die Stunde so, dass sie auf vorige Inhalte aufbaut und für alle schaffbar ist.
  • Lässt die Hunde nicht eine Stunde lang nur spielen, sondern plant Auszeiten für die Welpen ein, damit sie auch lernen in Anwesenheit anderer Hunde sich auf ihre Menschen zu konzentrieren.

Die Anforderungen an den Welpentrainer sind dementsprechend hoch: Er muss Situationen schnell beurteilen können, Fachwissen verständlich darstellen, Bedarfe erkennen und die Hunde in der Entwicklung verstehen und einschätzen können. In einigen Vereinen sind es immer noch die unerfahrensten Hundetrainer, die dort eingesetzt werden. Aufgrund der Anforderungen und der Wichtigkeit der Phase sollten es aber im Gegenteil die erfahrensten Trainer sein, die eine Welpengruppe anleiten. Es ist mir völlig unverständlich, dass es auch Trainer gibt, die Welpen gar nicht trainieren wollen. Grade hier können Hund und Halter abgeholt werden, noch bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Nicht jeder Trainer kann oder möchte eine Welpengruppe oder Welpentraining anbieten, aber er sollte so gut vernetzt sein, dass er zumindest einen Kollegen empfehlen kann.

Wie finde ich eine gute Welpengruppe?

Kampf oder Spiel zwischen Welpen
Einschreiten oder laufen lassen? Hier ist ein fachkundiger Blick gefragt!

Um keine schlechte Welpengruppe zu besuchen, sollte der Hundehalter auf diese Punkte achten:

  • Es ist mindestens ein erfahrener Trainer anwesend
  • Die Gruppengröße sollte überschaubar sein und ggf. die Möglichkeit zur Trennung bestehen
  • Die Hunde passen zueinander vom Sozialverhalten her und ihrer Entwicklung
  • Der Trainer achtet darauf, dass kein Welpe unter die Räder kommt und ermutigt die Teilnehmer ihren Hund zu schützen
  • Die Hunde spielen nicht dauernd, sondern haben auch Auszeiten
  • Das Spiel zeichnet sich durch wechselseitigen Rollentausch aus – es ist nicht immer nur ein Hund, der von den anderen Hunden gejagt wird oder unten liegt
  • Die Teilnehmer sind beim Spiel bei ihren Hunden und nicht abseits des Platzes
  • Der Trainer kann das Verhalten schlüssig erklären und begleitet das Sozialspiel, was bedeutet, dass er situativ auch eingreift
  • Die Inhalte orientieren sich an den Erfordernissen des Alltags und sind dort umsetzbar
  • Der Trainer hat bei Nachfragen ein offenes Ohr und reagiert nicht genervt
  • Stunden sind so gestaltet, dass jeder etwas lernen kann
  • Bei Fehlern wird niemand bloßgestellt
  • Vorgehensweisen werden nicht nur praktisch gezeigt, sondern auch theoretisch untermauert
  • Es herrscht eine offene, lockere Atmosphäre und ein freundlicher Umgangston

Die Zeit nach der Welpengruppe

Selbstverständlich ist der Besuch einer Welpengruppe kein Garant dafür, dass es später keinerlei Probleme geben wird. Es steht und fällt mit der Umsetzung des Hundehalters. Junge Hunde entwickeln sich noch. Nach der Sozialisierungsphase stehen noch die Pubertät und die anschließende Adoleszenz an. In dieser Zeit wird das Gehirn der Hunde quasi „neu verdrahtet“. Neben diesen Umbauprozessen kommen noch die einschießenden Hormone hinzu, die schnell dazu führen, dass vorher Gelerntes plötzlich „vergessen“ ist. Neue Problematiken tauchen auf. Dort wo früher der Hund noch friedlich spielte, imponiert er plötzlich. Das andere Geschlecht wird interessant, genauso wie viele andere Umweltreize. Dies kann den Hundehalter nochmal vor ganz neue Hindernisse stellen.

Eine gut geführte Welpengruppe kann allerdings eine solide Basis sein für das weitere Zusammenleben und das Training des Hundes. Wer seinem Hund ausreichend Sozialkontakte zu verschiedenen Hunden bieten kann und genügend Wissen und Erfahrung hat, muss sicherlich nicht zwangsläufig eine Welpengruppe besuchen. Wer dies allerdings nicht hat, ist in einer gut geführten Welpengruppe gut aufgehoben. Es ist sinnvoll sich vorab Welpengruppen anzuschauen, bevor man mit dem Welpen auftaucht. So erspart man sich so manchen Reinfall.

Autorin: Nina Dany

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