Bewegung als Beschäftigungsmöglichkeit für einen blinden Hund

Blind durchs Leben, na und! So würde wohl Franzi, ein 2 Jahre alter Puli/Pudelmix-Rüde antworten, wenn man ihn fragt, ob seine Blindheit ein Handicap für ihn darstellt. Dieser Artikel soll Hundehalter von Hunden mit Handicap motivieren, eine Gemeinsamkeit mit der Fellnase zu finden, die den Hund adäquat auslastet, beiden Partnern Spaß macht, und so auch die Beziehung enorm fördert.

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Blinden Hund beschäftigen

Franzi ist im September 2020 auf die Welt gekommen und wurde als Puli-Welpe von einem ungarischen Züchter nach Italien verkauft, um dort für die Zucht eingesetzt zu werden. Als bemerkt wurde, dass Franzi blind war, wurde er zurück nach Ungarn geschickt und kurzerhand im Tierheim abgegeben.

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Blinder Hund Franzi
Durch eine Tierschutzorganisation konnte Franzi am 27. März 2021 im Alter von 6 Monaten an Helga vermittelt werden. Obwohl sich Helga ausschließlich um Hunde aus dem Tierschutz bemüht – in Helgas Familie haben noch weitere vier entzückende Fellnasen aus der Tierschutzorganisation ein Zuhause gefunden – war Franzi ihr erster blinder Junghund.

Bei einer Untersuchung in einer Spezialklinik wurde festgestellt, dass Franzi an einer genetischen Blindheit – Progressive Retina Atrophie (PRA) – einer Erberkrankung im Auge, leidet und absolut blind ist. Es gibt laut Spezialisten für diese Krankheit keine Therapiemöglichkeit.

Wir vergessen immer wieder, dass das Sehen nicht der primäre Sinn von Hunden ist

Franzi überzeugt sein Frauerl Tag für Tag, dass ein Hund keine sehenden Augen braucht, um ein normales, gesundes und lebenswertes Hundeleben führen zu können. Durch seine Blindheit ist Franzi nahezu bevorzugt in seiner Fähigkeit, sich konzentrieren zu können und sich auf die Aufgabe und die Signale von Helga zu fokussieren. Es gelingt ihm, andere äußere Einflüsse auszublenden und in der Gegenwart, im Hier und Jetzt zu sein. Gleichzeitig hat Helga es gelernt, punktgenaue Kommandos zu geben, um ihm zu signalisieren, was er in der Sekunde zu tun hat und das macht ihn im Training so gut!

Helga besuchte mit Franzi eine Hundeschule, um ihm einerseits die wichtigsten Kommandos für den Alltag zu vermitteln, andererseits wollte sie ihren Junghund auch gut auslasten. Den Verlust des Sehsinns kompensieren Hunde gut mit dem Geruch- und Gehörsinn. Daher wurde der Fokus in der Hundeschule auch auf Nasenarbeit gerichtet. Franzi hat gelernt, verschiedenste Teesorten zu erschnüffeln, doch was ihm fehlte, war die „Begeisterung“ für die Nasenarbeit.

Franzi war ein braver „Schnüffler“, doch was er zusätzlich brauchte war „Action“. Helga erkannte sofort, dass Franzi ein Hund ist, der sich gerne und viel bewegen möchte, er ist ein lebhafter, quirliger Vierbeiner, der wie jeder Hund in seinem Alter voller altersgerechter Lausbubenstreiche steckt.

Durch Zufall lernte Helga Anita von HundFIT kennen und hat gemeinsam mit ihrem blinden Franzi die Freude des Hunde-Fitness-Trainings entdecken dürfen. Tagtäglich wartet nun Franzi bereits am frühen Morgen, wann endlich wieder trainiert wird.

Verletzungen mit Fitness-Training vorbeugen

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Franzi sich schon zigmal verletzt hätte, wenn wir nicht gelernt hätten, seinen Körper durch Fitness-Training zu trainieren. Durch seine Blindheit läuft er ja oft in Hindernisse hinein, wenn er sich wo nicht auskennt. Hunde-Fitness-Training hat uns mit Sicherheit geholfen, Muskeln aufzubauen, die seinen Körper schützen.

meint Helga über das Fitnesstraining.

Was Helga damit gemeint hat ist, dass mit gezieltem Training „gelenksnahe, ganz kleine“ Muskeln trainiert werden, jene Muskeln, die bei Kraft- und Ausdauertraining oft vernachlässigt werden. Und um es noch genauer auszuführen: es handelt sich dabei um jene Muskeln, die Gelenke, Sehnen und Bänder schützen und stabilisieren, was wiederum dazu beiträgt, Verletzungen vorzubeugen.

Präventiv unterstützt das Fitness-Training zugleich den Muskelabbau des Hundes im Alter. Mit effektiven, herausfordernden und gleichzeitig lustigen Übungen macht das Training sowohl dem Hund als auch seinem Besitzer Spaß, die Bindung zueinander wird gefördert und tägliche kurzen Einheiten – 10 bis 15 Minuten pro Tag reichen bereits aus – lasten den Hund sowohl körperlich als auch geistig aus.

Besonderheiten beim Training mit einem blinden Hund

Im Fall von Franzi wurden alle Übungen in kleinste Schritte aufgegliedert und ganz, ganz langsam -step by step – aufgebaut. Alle Übungen wurden in unzählige Teilschritte zerlegt. Das Training selbst wird unterteilt in ein Training mit taktilem Führen und ein Training mittels Stimme.

 

Das bedeutet: Der Tast- und Empfindungssinn wird auch als taktile Wahrnehmung bezeichnet. Durch unterschiedliche Rezeptoren der Haut können verschiedene Reize wie zum Beispiel Druck oder Berührung wahrgenommen werden. Dieser Sinn ist möglicherweise bei blinden Hunden viel intensiver ausgeprägt. Ich kann das nicht bestätigen, aber Franzi hat es uns gezeigt, dass er sich über die Stangen tastet.
Franzi hat das Steigen über Stangen zum einen durch seine Körperwahrnehmung, also den Tast- und Empfindungssinn gelernt, andererseits aber auch durch das Führen mittels Stimme. Sein Frauerl hat ihm zusätzlich regelmäßig punktgenaue Anleitungen gegeben, wann er „hochsteigen“ bzw. „über die Stangen“ steigen muss. Hierfür verwendet Helga das Signalwort „hoch“.
Durch das gezielte Training und den langsamen Aufbau konnte Franzi einen Sinn für sich entwickeln, wann er über welche Stange zu steigen hat. Dasselbe gilt für alle Übungen; egal ob er über eine Balancestraße steigt, über umgedrehte Blumentöpfe (Bild) balanciert oder sich wie ein Zirkushund im Kreis dreht.

gibt Anita Techt Einblicke in das Training mit einem blinden Hund.

Cavaletti-Training: Bewegungsabläufe von Hunden trainieren

Wie bereits berichtet, gibt Franzi dem Fitness- und Bewegungstraining gegenüber der Nasenarbeit den Vorzug. Nicht nur in diesem Verhalten ist der blinde Hund eine Ausnahme, sondern auch im Fitness-Training selbst. Franzi liebt nämlich das Cavaletti-Training!

Cavaletti-Training ist eine Sportart, mit der sich die Bewegungsabläufe von Hunden trainieren lassen. Dieses Training hält anatomisch gesunde Hunde in Form und hilft Hunden mit körperlichen Defiziten, ihren Bewegungsapparat wieder – im wahrsten Sinn des Wortes – ins Laufen zu bringen. Es gibt verschiedene Variationen und Übungen, wie man Cavaletti im Hunde-Fitness-Training einsetzen kann. Eine Möglichkeit ist, die Hunde über Hindernisse – bestehend aus zwei Hütchen, die mit einer Stange verbunden sind – zu führen.

Cavaletti Training Blinder Hund
Da das Steigen über die Stangen selbstständig und langsam vom Hund ausgeführt werden soll, ist das Cavaletti-Training für blinde Hunde nicht geeignet – so sagt man; aber wie immer bestätigen Ausnahmen bekanntlich ja die Regel – und Franzi ist eine ganz besondere Ausnahme!

Zu Beginn des Trainings war es Helgas Aufgabe, im punktgenau Kommandos zu geben, wann er über das Hindernis zu steigen hat. Im Laufe der Zeit hat Franzi es nun gelernt, selbstständig, selbstsicher und gleichmäßig in verschiedensten Ausführungen über die Stangen zu steigen. Er hat einen für uns noch nicht definierbaren Sinn entwickelt, der ihm sowohl die Höhe als auch die Entfernung der Stangen zueinander entsprechend signalisiert.

Nicht nur, dass das Cavaletti-Training eine sinnvolle Beschäftigung für Hunde jeden Alters ist, es macht den Hunden auch enorm viel Spaß! Und genau deshalb wird Franzi dieses Training wahrscheinlich auch so sehr lieben!

Hunde-Fitness-Training ist eine „ruhige“ Sportart und ist daher für alle Hunde – vom Welpen bis zum Senior – geeignet. Es geht nicht darum, wie hoch, wie weit oder wie schnell sich dein Hund bewegt, sondern wie konzentriert, wie körperbewusst und wie sicher! Faktoren, die zur Erhaltung eines gesunden und fitten Hundekörpers bis ins hohe Alter notwendig sind!“

so Anita Techt von der Hunde-Fitness-Schule HundFIT.

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